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Beitrag Islamische Apps in Deutschland

Dr. Benedikt Julius Kastner

veröffentlicht am 28.09.2022

Dr. Benedikt Kastner war Promotionsstudent der Religionswissenschaft an der Universität Hamburg. In seinem Promotionsprojekt beschäftigte er sich mit der „Authentizität" von Achtsamkeits-Apps.

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Dissertationsprojekt

Dr. Benedikt Julius Kastner

THE CONSTRUCTION OF AUTHENTICITY IN MINDFULNESS APPS. TRANSCULTURAL PROCESSES OF TRANSFORMATION AND THE CONCEPTUALIZATION OF BRANDS, CONSUMPTION AND SELF-OPTIMIZATION

Islam zu jeder Zeit und an jedem Ort zugänglich zu machen, ist das Ziel, das sich Entwickler*innen von islamischen Apps gesteckt haben. Trainingsaufgaben für Koran- Rezitationen, Konsumoptionen von muslimischen Filmen und Serien oder das Eintauchen in arabische 3D-Welten mit einem Avatar – die Entwickler*innen nutzen ein breites Spektrum an Möglichkeiten, um religiöse Vorstellungen und Praktiken zu vermitteln. Welche Apps eigens für den deutschsprachigen Raum konzipiert wurden, teils sind sie kostenfrei, ist Gegenstand dieses Beitrags.

Die App Muslim Pro beispielsweise, die in verschiedenen Sprachen genutzt werden kann und laut eigenen Angaben über 130 Millionen Mal weltweit downgeloadet wurde, ist für Nutzer*innen als ein multisensorisches Erlebnis angelegt (vgl. Bitsmedia 2022a). Durch das manuelle Bedienen der App öffnen die Nutzer*innen sich und ihren Sinnen Tür und Tor zu einem digitalen Islam, zu einer Religion, die sie über ihr Smartphone mit sich herumtragen können. Die Inhalte von Muslim Pro: Erinnerungen an Gebetszeiten, religiöse Gesänge von Imamen, visuelle und auditive Koran-Schulungen, eine Mediathek muslimischer Filme, Serien und Dokumentationen sowie interaktive Features, die unter anderem eine Koran-Playlist, religiöse Grußkarten und inspirierende Sätze umfassen. Ausgerichtet auf Muslim*innen und deren Heilsweg vermitteln die Funktionen der App eine Reihe islamischer Vorstellungen und Praktiken, die User*innen in ihren Alltag integrieren können. Thema der digitalen Grußkarten etwa ist ein Wertekanon, der auf Deutsch und Arabisch, mit Allah und seinen Lehren in Verbindung gebracht wird. Filme und Serien greifen dagegen wiederholt die Frage auf, welche Rolle Frau und Mann im Islam spielen und was es mit Mutter- und Vaterschaft auf sich hat. Mit jedem Tippen auf dem Gerät gelangen die Nutzer*innen zu mehr Informationen über die Religion. Als Quelle vieler Inhalte dient der Koran. Gekoppelt an den Alltagsgegenstand Smartphone ist es ein Islam zum Anfassen. Die Prämisse für die Vermittlung ist laut dem Entwickler*innen-Team, ein digitales Zuhause für Muslim*innen auf der ganzen Welt zu schaffen. Die Mission: ein vertrauenswürdiges digitales Tool in Umlauf zu bringen, das Informationen über den Islam bereitstellt (vgl. Bitsmedia 2022b). Mit den in der App zusammengetragenen Informationen prägt das Team, wie Muslim*innen Islam praktizieren und welches Wissen über islamische Traditionen in der Gesellschaft zirkuliert. Die Verantwortlichen verstehen sich laut Website als Teil der muslimischen Community. Ob es sich bei ihnen um ITEntwickler*innen, Islam-Expert*innen oder Imame handelt, bleibt unklar. Für die Vermittlung wählt das Team eine Kombination aus sozialen, kognitiven und sinnlichen Arrangements (vgl. ebd.; Prohl 2012: 379).

Scharjil Ahmad Khalid, Imam der Ahmadiyya-Muslim-Jamaat (AMJ) in Berlin Pankow, unterstützt das Vorgehen, Religion über Apps erfahrbar zu machen. Historisch gesehen geht die AMJ auf die 1889 in Indien gegründete Ahmadiyya-Bewegung zurück. Verantwortliche der Religionsgemeinschaft in Deutschland haben Apps etwa für Aufklärungsarbeit, Gebetsruf, Jugendorganisation und Magazine entwickelt. Das Motiv: ihre Präsenz im Alltag von Muslim*innen zu maximieren. Ein weiterer Grund: ihre Religion zu verbreiten und den Islam dem digitalen Zeitgeist anzupassen. Beispielhafte Apps sind unter anderem die Radio-App Stimme des Islam, die Gebets-App Die Gebetszeiten oder die Magazin-App Nuuruddin, an die auch ein gleichnamiger Podcast anschließt. Eine Gemeinsamkeit der Apps: Religion als ein multisensorisches Erlebnis für den Alltag von User*innen aufzubereiten.

Die Möglichkeit, sich nach Belieben verschiedene Apps aus dem App Store herunterzuladen, bringt die Religionswissenschaftlerin Rachel Wagner mit dem Begriff einer Sucher-Mentalität zusammen. Sagt die eine App nicht zu, kann das Individuum die Anwendung löschen und gegebenenfalls nach Ersatz suchen. Wagner ist der Auffassung, dass das, womit Menschen sich auf ihren Handys beschäftigen, sich auf deren Selbst und Identität auswirkt. Das Smartphone begreift Wagner daher als „a sort of digital body echoing our own physical self“ (Wagner 2012: 107). Was bedeutet das für islamische Apps? Der erwählte Vermittlungsprozess der Entwickler*innen in der App prägt durch die Rezeption auf Seiten der Nutzer*innen ihre Person, die Praxis des Islam und die Wahrnehmung auf den Islam.

Wagner zufolge wirken Apps auf das Selbst der Nutzer*innen ein. In der App Muslim 3D taucht das Selbst in Form eines Avatars sogar in der App auf. Mit ihrem Avatar durchschreiten sie bei Vollmond ein arabisches Haus, wandern in Wüsten zu historischen Stätten, interagieren mit virtuellen Personen und besuchen den Pilgerort Mekka. Eine Konstante der virtuellen Reisen von Avatar und Nutzer*in sind musikalische Klangabfolgen, die sie von Ort zu Ort begleiten. Muslim 3D wird auf ihrer Website als eine traumhafte Reise in „eine virtuelle Welt über islamische Geschichte, Lebensweise und Rituale“ (Bigitec 2022) beworben. Das multisensorische Erlebnis ist bei Muslim 3D gekoppelt an den Avatar, durch den Nutzer*innen die virtuelle Welt selbst erkunden und erleben können.

Islamische Apps geben Nutzer*innen die Gelegenheit, ihre Religion über ihr Smartphone abzurufen und sie zu rezipieren. Die Grenzen digitaler Tools stellen für die Entwickler*innen die Grenzen der Vermittlung religiöser Inhalte dar. Verändern sich etwa Technologien, können sich auch die Features einer App beispielsweise durch ein Update verändern. Verantwortlich für Updates sind die Entwickler*innen, die mit ihrem Know-how und ihren Vorstellungen zum Islam die Religion und das Selbst der Nutzer*innen prägen.

Verwendete Literatur

Bigitec GmbH. 2022. Muslim 3D. Begib dich auf eine traumhafte Reise:https://muslim3d.io/de (zuletzt abgerufen am 22.08.2022).

Bitsmedia Pte. Ltd. 2022a. Muslim Pro. Digital Home for all Things Muslim:https://www.muslimpro.com (zuletzt abgerufen am 22.08.2022).

Bitsmedia Pte. Ltd. 2022b. Muslim Pro. About Us: https://www.muslimpro.com/en/aboutus (zuletzt abgerufen am 22.08.2022).

Die Gebetszeiten (iPhone App). 2022. Aamer Q. Mahmood. Online zugänglich: https://apps.apple.com/de/app/die-gebetszeiten/id540794292 (zuletzt abgerufen am 29.08.2022).

Muslim Pro (iPhone App). 2022. Bitsmedia Pte. Ltd. Online zugänglich: https://apps.apple.com/de/app/muslim-pro-quran-gebetszeiten/id388389451(zuletzt abgerufen am 23.08.2022).

Muslim 3D (iPhone App). 2022. Bigitec GmbH. Online zugänglich: https://apps.apple.com/us/app/muslim-3d/id871225494 (zuletzt abgerufen am 23.08.2022).

Nuuruddin. Das Magazin der MKAD (iPhone App). 2022. Majlis Khuddam-ul-Ahmadiyya Deutschland e.V. Online zugänglich: https://apps.apple.com/de/app/nuuruddin/id1506999742 (zuletzt abgerufen am 29.08.2022).

Prohl, Inken. 2012. „Materiale Religion“. In Religionswissenschaft, herausgegeben von Michael Stausberg, 379–92. Berlin, Boston: De Gruyter.

Stimme des Islam (iPhone App). 2022. Aamer Q. Mahmood. Online zugänglich: https://apps.apple.com/de/app/stimme-des-islam/id1606983407 (zuletzt abgerufen am 29.08.2022).

Wagner, Rachel. 2012. Godwired. Religion, Ritual and Virtual Reality. London, New York: Routledge.