Blogbeitrag Trumps Inauguration: Die Feier der Maschinenreligion und warum Michelle Obama alles richtig gemacht hat

Prof. Dr. Inken Prohl

veröffentlicht am 06.02.2025

Inken Prohl ist Religionswissenschaftlerin und Japanologin. Seit 2006 lehrt sie als Professorin für Religionswissenschaft an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind u. a. die rezente Religionsgeschichte Deutschlands, Japans und der USA, Religion and Artificial Intelligence sowie Materiale Religion.

Trumps Inaugurationsfeier im Januar 2025 inszenierte Technologie als neues Heilsversprechen und offenbarte die patriarchalen Machtstrukturen der Maschinenreligion. Inwiefern verschleiert der techno-religiöse Glaube an Fortschritt und Kontrolle gesellschaftliche Ungleichheiten, insbesondere in Bezug auf Geschlechterrollen?

Die Inaugurationsfeier von Donald Trump im Januar 2025 markierte den vorläufigen Höhepunkt einer neuen religiösen Ära: der Maschinenreligion. Technologie wurde bei der Feier nicht nur als Fortschritt, sondern als Heilsversprechen inszeniert – eine Ideologie, die ihrerseits tief mit politischer Macht verwoben wird. Der Historiker Yuval Harari nennt den Glauben an die Heilskraft der Technologie „Dataismus“ (Harari 2018), Greg Epstein „Tech Religion“ (Epstein 2024). Der gemeinsame Nenner dieser Konzepte – der Glaube an die allumfassende Problemlösungskraft von Technologie und die Vision einer übermenschlichen Schöpfungskraft durch KI – ist die Überzeugung, dass Technologie alle Probleme lösen kann. 

Die Raumfahrt dient als spektakulärstes Symbol dieser neuen Religion, denn eine Mission zum Mars wäre ohne die gewaltigen, von KI ermöglichten Berechnungen kaum vorstellbar (Reeder 2025). In der Transhumanismus-Debatte wird über die Überwindung menschlicher Begrenzungen spekuliert, während der Diskurs über die Entwicklung der KI zur Superintelligenz eine technologische Singularität verspricht – eine neue Art der Transzendenz. Diese techno-religiösen Narrative lenken von realen Problemen ab. Marc Andreessen, ein einflussreicher Silicon-Valley-Milliardär, preist KI als moderne Alchemie, die den Menschen zu übermenschlicher Schöpfungskraft verhilft (Andreessen 2023). Diese Vision von technologischer Überlegenheit findet auch in der Politik Anklang: Trump griff den Gedanken auf, indem er die Eroberung des Mars in seiner Antrittsrede als nationales Ziel deklarierte – unterstützt von seinem wichtigsten Financier Elon Musk (Reeder 2025). Doch die beschriebenen technologischen Visionen beruhen auf spekulativen Annahmen. Milliarden fließen in KI, während die USA technologisch von China herausgefordert werden, z.B. durch das neue Large Language Model DeepSeek. Die Inaugurationsfeier von Donald Trump inszeniert das Ritual eines nationalen Zusammenhalts – eine symbolische Trockenübung, die von Unsicherheiten ablenkt. Gleichzeitig werden zentrale gesellschaftliche Probleme der neuen Technologien ausgeblendet: Künstliche Intelligenz ist nicht wertneutral, sondern verstärkt bestehende Diskriminierung. Social Media trägt massiv zu psychischen Gesundheitsproblemen sowie einer explosiven Polarisierung der Gesellschaft bei und der immense Energieverbrauch digitaler Technologien hat katastrophale ökologische Folgen (Crawford 2021; Fisher 2022; Haidt 2024). 

Der Trans- und Posthumanismus ist eng mit den Ideenwelten der Silicon-Valley-Elite verknüpft. Sogenannte Visionäre wie Musk, Mark Zuckerberg und Jeff Bezos teilen die Überzeugung, dass technologische Fortschritte nicht nur die Menschheit verbessern, sondern den individuellen Menschen transformieren werden. Ihr Denken ist geprägt von einer radikalen Fortschrittsgläubigkeit, die Körper und Geist optimieren, menschliche Grenzen überwinden und sogar Unsterblichkeit ermöglichen will. Diese Ideologien dienen als wirtschaftliche Triebkräfte, aber auch als Erzählungen, die Sinn und Ziel jenseits des Irdischen versprechen und damit Funktionen von Religion erfüllen. 

Besonders auffällig ist der Androzentrismus der Maschinenreligion, der sich exemplarisch an der Inszenierung der Frauen bei der Inaugurationsfeier zeigte. Tech-Milliardäre wurden als Visionäre gefeiert, Frauen blieben dagegen auf performative Funktionen reduziert. Dies war an der Sitzordnung abzulesen: Neben Trump saßen die CEO-Männer von Google, Apple und Meta, während Frauen lediglich als Symbolfiguren, Verliererinnen oder Trophäen sichtbar wurden. Melania Trump präsentierte sich als schweigende, elegant gekleidete Begleitung – ein Sinnbild für das konservative Rollenbild, das Donald Trump propagiert. Besonders prägnant war Trumps Machtdemonstration am Ende seiner Rede: Als er sich seiner Frau zuwandte, um zu fragen, ob sie in ihren High Heels weiterlaufen könne, wurde das Bild des männlichen Machers und der abhängigen Frau perfektioniert (Schwarzer 2025). Auch die Platzierung von Kamala Harris und Hillary Clinton sprach Bände: die beiden Verliererinnen gegen Donald Trump im Kampf um die Präsidentschaft saßen direkt hinter ihm und mussten seine Siegesrede aus nächster Nähe miterleben. Die Verlobte von Bezos bot ein weiteres Beispiel für die Geschlechterordnung dieser Maschinenreligion. Derweil die anwesenden Tech-Milliardäre sich als rationale Visionäre inszenierten, erschien sie mit ihrer tief dekolletierten Kleidung als medienwirksames Sexsymbol. Ihre Rolle während der Veranstaltung zeigte, dass Frauen in der Welt der superreichen, männlichen Silicon-Valley-Elite als Prestigeobjekte dienen – eine Versinnbildlichung der dort vorherrschenden Machtverhältnisse (Chang 2019; Gomez 2019; Broussard 2023). Viel wurde darüber geredet, warum Michelle Obama der Veranstaltung ferngeblieben ist. Angesichts des Line-up stellt sich heraus, dass sie alles richtig gemacht hat. 

Die Vorstellungen des Trans- und Posthumanismus drehen sich oft um die Idee, dass alles kontrollierbar und beherrschbar ist – ein Denken, das typisch für männlich geprägte Lebenswelten ist. Diese Ideale lassen sich darauf zurückführen, dass die Produzenten der Visionen des Transhumanismus und Silicon Valley mehrheitlich Männer sind. Ihr Androzentrismus äußert sich nicht nur in sexistischen Darstellungen von Frauen, sondern auch als grundlegende, systematische Idealisierung des Strebens nach Kontrolle und Problemlösung, das mit Männlichkeit assoziiert wird. Dazu passt, dass Zuckerberg in einem Podcast im Januar 2025 verlauten ließ, er wünsche sich mehr „männliche Energie“ für seine Unternehmen (Bund 2025). 

Es stellt sich die Frage: Warum gibt es nicht mehr Widerstand gegen diese androzentrischen Machtvisionen? Die Antwort könnte in ihren religiösen Potenzialen liegen. Trans- und posthumanistische Imaginationen knüpfen an religiöse Heilsvorstellungen an und sind tendenziell auf Männer bezogen, da es Männer sind, die die Vorstellung und Praktiken der Religionen der Welt dominieren. Es zeigt sich: Die Maschinenreligion hat Nebenwirkungen – besonders für Frauen. Während sie Männer als Macher feiert, reduziert sie Frauen auf Objekte. Die neue Maschinenreligion ist nicht nur ein technologisches, sondern ein zutiefst patriarchales Projekt. Wer ihre transzendenten Behauptungen durchschaut, erkennt, dass sie nicht zur Emanzipation der Menschheit führt, sondern zur Verfestigung bestehender Machtstrukturen.

Bibliography

Andreessen, Marc. 2023. „The Techno-Optimist Manifesto“. Andreessen Horowitz. 16. Oktober 2023. https://a16z.com/the-techno-optimist-manifesto/.

Broussard, Meredith. 2023. More Than a Glitch. Confronting Race, Gender, and Ability Bias in Tech. Cambridge: The MIT Press.

Bund, Kerstin. 2025. „Mark Zuckerberg fordert mehr ‚maskuline Energie’ in Unternehmen“. Süddeutsche Zeitung, 12. Januar 2025. https://www.sueddeutsche.de/wirtschaft/mark-zuckerberg-joe-rogan-divers….

Chang, Emily. 2019. Brotopia. Breaking up the Boys’ Club of Silicon Valley. New York: Portfolio/Penguin.

Crawford, Kate. 2021. Atlas of AI. Power, Politics, and the Planetary Costs of Artificial Intelligence. New Haven, London: Yale University Press.

Epstein, Greg M. 2024. Tech Agnostic. How Technology Became the World´s Most Powerful Religion, and Why It Desperately Needs a Reformation. Cambridge, London: The MIT Press.

Fisher, Max. 2022. The Chaos Machine. The Inside Story of How Social Media Rewired Our Minds and Our World. London: Quercus Books.

Gomez, Emilia. 2019. „Women in Artificial Intelligence: Mitigating the Gender Bias“. HUMAINT (blog). 26. April 2019. https://ec.europa.eu/jrc/communities/en/community/humaint/news/women-ar….

Haidt, Jonathan. 2024. The Anxious Generation. How the Great Rewiring of Childhood Is Causing an Epidemic of Mental Illness. New York: Penguin Press.

Harari, Yuval Noah. 2018. 21 Lessons for the 21st Century. London: Jonathan Cape.

Reeder, Peggy. 2025. „‚To Plant the Stars and Stripes on the Planet Mars‘– Trump, Musk, and New Religious Entanglements“. Religion, Technologien und Künstliche Intelligenz (blog). 28. Januar 2025. https://www.irw.uni-heidelberg.de/de/transfer/blog-religion-technologie….

Schwarzer, Alice. 2025. „Inauguration: It’s a Men’s World“. Emma, 21. Januar 2025. https://www.emma.de/artikel/inauguration-trump-its-mens-world-341537.