Blogbeitrag „To Plant the Stars and Stripes on the Planet Mars” – Trump, Musk und neue religiöse Verflechtungen
Peggy Reeder, M.A.
veröffentlicht am 28.01.2025
Peggy Reeder, M.A. ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Religionswissenschaft, Heidelberg. In ihrer Promotion analysiert sie die das Verhältnis von New Space in Europa und Religion.
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Alle Blicke waren auf die USA gerichtet als Präsident Donald Trump in seiner Rede zur Amtseinführung am 20. Januar 2025 erklärte: „Wir werden unserer offenkundige Bestimmung (manifest destiny) zu den Sternen folgen und amerikanische Astronauten schicken, um die Stars and Stripes auf dem Planeten Mars zu platzieren“ (FOX 13 Seattle 2025). Trumps Pläne, den Mars zu erforschen, sind Teil einer vielfältigen und verwobenen Wechselbeziehung zwischen Religion, Technologie und dem Weltall. „Manifest destiny“ ist ein historisches Konzept, das als religiöser Bezugsrahmen und etablierte Rhetorik zur Legitimierung der US-Expansion in den Westen des amerikanischen Kontinents und später in den Weltraum diente (vgl. Swanson 2020). Konkret zielt Trump darauf ab, während seiner Legislaturperiode die Pläne des Tech-Unternehmers Elon Musk zur Besiedlung des Mars zu fördern. Solche Marsmissionen würden ein noch nie dagewesenes Maß an Technologisierung und Ressourcen erfordern. Körper müssten modifiziert werden, um die lange Reise überstehen und den harten Lebensbedingungen auf dem Mars standzuhalten. KI wäre nötig, um die riesigen Datenmengen, die für ein solches langfristiges Unterfangen im Weltraum erforderlich sind, zu verarbeiten. Das ergänzt diese bereits religiös geprägte Vision des Weltraumreisens um eine neue Dimension. Um Marsmissionen zu verwirklichen, sind aktive Überzeugungen vom Potenzial und der Realisierbarkeit innovativer Technologien eine Voraussetzung.
Auf Raumfahrtmessen stellen Unternehmen wie Elon Musks Firma SpaceX die technologischen Möglichkeiten der Raumfahrt mit KI-generierten Bildern dar, die das künftige Leben auf dem Mars zeigen. Solche Darstellungen veranschaulichen, wie etablierte Grenzen zwischen Wissenschaft, Fiktion und Religion neu ausgehandelt werden. Dem Religionswissenschaftler S. Brent Plate zufolge manifestieren sich Religionen als „ein Netzwerk von weltbildenden Technologien“ (Plate 2021, 193). Sie schaffen ein Gefühl von Gemeinschaft und Zugehörigkeit, und die „verzauberten Welten“ können mit den Sinnen erfahren werden (Plate 2021, 193). Religionen und Weltanschauungen formen und beeinflussen sich gegenseitig und sind miteinander verflochten. Fantasien über die Entdeckung anderer Welten, Vorstellungen über mögliches (außerirdisches) Leben im All und angebliche UFO-Sichtungen verdeutlichen die Anziehungskraft des Weltalls. Es wird zunehmend schwieriger, klar zu bestimmen, ob solche Vorstellungen in der Science-Fiction, in der Astrophysik oder in religiösen Formen zu verorten sind, wenn z. B. Elon Musk die Erforschung des Mars als Quelle der Hoffnung und Motivation für die Zukunft, als etwas „Inspirierendes“ (The Australian 2025), darstellt. Unternehmungen, die bisher Teil der Science-Fiction waren, werden nun ernsthaft in Erwägung gezogen. Zum einen liegt das an der rasenden Geschwindigkeit kommerzieller Entwicklungen. Zum anderen lassen sich auch in der Weltraumtechnik Innovationen verzeichnen. Darunter fallen körperliche Erweiterungen, um Reisen zum Mars zu überleben und zu überstehen (vgl. Szocik 2019), und die Verwendung von Mondregolith für den 3D-Druck von Strukturen auf dem Mond (vgl. Ellery et al. 2022). Die Grenzen von Fakt und Fiktion in Weltanschauungen über den Weltraum verändern sich angesichts dieses rasanten technologischen Fortschritts.
Technologie, einschließlich KI, ist ein Schauplatz von Religion und Weltanschauungen. Akteur*innen grenzen sich von Religion ab, gründen neue Religionen rund um KI oder stützen sich auf religiöse Vorstellungen, um ihre Sicht auf Technologie darzustellen, wie die Religionswissenschaftlerin Beth Singler darlegt (vgl. Singler 2024). Der humanistische Geistliche Greg Epstein geht sogar so weit, von den allgegenwärtigen Überzeugungen und kollektiven Praktiken im Umgang mit Technik als (globale) Religion zu sprechen (vgl. Epstein 2024). Es ist nicht verwunderlich, dass solche religiös durchdrungenen Vorstellungen von Technologie auch in Visionen der Weltraumforschung präsent sind. Musk verkörpert technologische und unternehmerische Innovation. Das hat insbesondere unter Männern zu einer großen Anhängerschaft geführt (vgl. Buchter, Nezik und Nienhaus 2022), die weltweit Musks Pläne online befürwortet und unterstützt (vgl. McFarland Taylor 2024). Seine Bestrebungen ähneln „Religion“ in einem solchen Ausmaß, dass Wissenschaftler*innen und Journalist*innen den Begriff als semantischen Rahmen verwenden, um die damit verbundenen Eigenschaften zu erfassen: Die Religionswissenschaftlerin Sarah McFarland Taylor vergleicht ihn mit einem „Heiligen“ (McFarland Taylor 2024) und der Journalist Robert Gast konfrontiert Leser*innen mit der Möglichkeit, dass Elon Musk ein „moderner Jesus“ sei, dessen Gemeinschaft einem „Kult“ ähnele (Gast 2025). Musk ist der Inbegriff der breiteren Dynamiken von Technologie, die sich im 21. Jahrhundert vom Silicon Valley aus weltweit ausgebreitet haben. Um die Pläne zur Erforschung des Mars erfolgreich umzusetzen und zu rechtfertigen, könnten solche Überzeugungen ebenso wirksam sein wie die sozio-religiöse Vorstellung eines „manifest destiny“.
Literaturverzeichnis
Buchter, Heike, Ann-Kathrin Nezik und Lisa Nienhaus. 2022. „Elon Musk sein.” Die Zeit, 27. Mai 2022. https://www.zeit.de/2022/22/elon-musk-fans-tesla-twitter-sexuelle-belae… (zuletzt abgerufen am 24.01.2025).
Ellery, Alex, Ian Mellor, Priti Wanjara und Melchiorri Conti. 2022. „Metalysis Fray Farthing Chen Process As a Strategic Lunar In Situ Resource Utilization Technology.” New Space 10 (2): 224–38. https://doi.org/10.1089/space.2021.0047.
Epstein, Greg M. 2024. Tech Agnostic: How Technology Became the World’s Most Powerful Religion, and Why It Desperately Needs a Reformation. Cambridge, Massachusetts; London: The MIT Press.
FOX 13 Seattle. 2025. Donald Trump’s Full Speech on Inauguration Day 2025. Zuletzt abgerufen am 24.01.2025.
https://www.youtube.com/watch?v=zGM61Q79Ops.
Gast, Robert. 2025. „Raumfahrt: Elon Musk als moderner Jesus – und ich einer seiner Jünger?” Die Zeit, 5. Januar 2025. https://www.zeit.de/wissen/2024-12/raumfahrt-elon-musk-religion-ueber-a… (zuletzt abgerufen am 09.01.2025).
McFarland Taylor, Sarah. 2024. „The Wrong Way Home. St. Elon’s Digital Cult of Personality, Messianic Mediations of Mars, and the Musketeer Meme Militia.” In Religion and Outer Space, herausgegeben von Eric Michael Mazur und Sarah McFarland Taylor, 233–54. London; New York: Routledge, Taylor & Francis Group.
Plate, S. Brent. 2021. „Evolution, Technology, Art: A Response to Ann Taves.” In What Is Religion?, herausgegeben von Aaron W. Hughes and Russell T. McCutcheon, 202–10. Oxford: Oxford University Press.
Singler, Beth. 2024. Religion and Artificial Intelligence: An Introduction. London: Routledge. https://doi.org/10.4324/9781003256113.
Swanson, Glen E. 2020. „The New Frontier: Religion in America’s National Space Rhetoric of the Cold War Era.” Religions 11 (11), 592.
Szocik, Konrad. 2019. The Human Factor in a Mission to Mars: An Interdisciplinary Approach. Space and Society. Cham: Springer.
The Australian. 2025. Elon Musk’s Questionable Behaviour on Stage Following Trump Inauguration. Zuletzt abgerufen am 24.01.2025.
https://www.youtube.com/watch?v=NO_uz3pcyv4.