Beitrag Muslimische Influencer*innen
Dr. Benedeikt Julius Kastner
veröffentlicht am 20.05.2022
Dr. Benedikt Kastner war Promotionsstudent der Religionswissenschaft an der Universität Hamburg. In seinem Promotionsprojekt beschäftigte er sich mit der „Authentizität" von Achtsamkeits-Apps.
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Influencer*innen sind in der Welt des Digitalen allgegenwärtig. Ob über Instagram, Twitter, YouTube oder TikTok – ihre Posts erreichen Millionen von Menschen zu jeder Zeit und an jedem Ort. Während ein Großteil der Influencer*innen sich durch Werbung für Marken, Produkte oder auch die eigene Person auszeichnet, gibt es auch Influencer*innen, die sich um die Vermittlung religiöser Botschaften bemühen. Aber wer sagt, dass es sich bei Religionen nicht um Marken handelt, die der Werbung benötigen, wird durch das Phänomen der Influencer*innen schnell eines Besseren belehrt (vgl. Prohl 2020: 111-127). In diesem Beitrag wird die Perspektive auf muslimische Influencer*innen in Deutschland hin geschärft, die digitale Medien nutzen, um ihre Religion mit ihren Follower*innen zu teilen und sie zu promoten.
Die Influencerin und Konvertitin @immernocharlotte etwa setzt sich auf Instagramdafür ein, islamische Vorstellungen sowie Entwicklungen aus der islamischen Religionsgeschichte verständlich und einfach ihren ungefähr 11.000 Follower*innen nahezubringen (Stand April 2022). Auf ihrem Account stellt sie sich als Islamwissenschaftlerin vor, die sich in den Posts als Expertin den von ihr ausgewählten Themen widmet. Ihre Beiträge variieren von kurzen Videos hin zu Zitaten oder auch Bildern aus ihrem Privatleben. In der Summe liefert sie ihren Follower*innen mit den Posts eine emotionale Verbindung zu ihrer Person und zu dem von ihr gewählten Vermittlungsprozess in Sachen Islam. Oft werden ihre Uploads von stimmungsvollen Musikklängen oder Pop-Songs begleitet. Den von ihr ins Leben gerufenen Podcast Islamschnack, verfügbar über den Musik-Dienstleister Spotify, bewirbt sie auf ihrem Instagram-Account. In ihm beschäftigt sie sich unter anderem mit der Scharia, dem Koran sowie der Person Mohammed. Nach eigener Aussage sei es ihr Wunsch, mit ihrer digitalen Arbeit, Anregungen zu einem differenzierten Verständnis des Islam in Deutschland zu geben. Ein Ziel sei es, dem Islam fremdländische und kulturelle Noten zu nehmen und ihn als ein komplexes Gefüge von Veränderungen zu rebranden. Der Slogan zu ihrem Account lautet daher: "Diese Seite ist für dich gegen Vorurteile" (immernocharlotte Instagram 2022).
Im Gegensatz zu seiner Kollegin liegt der Fokus beim Influencer, islamischen Theologen und Imam Talha Taskinsoy (@talhataskinsoyx) auf der Vermittlung muslimischer Narrationen, die er beispielsweise anlässlich des Festes Ramadan durch Video-Monologe für seine Follower*innen aufbereitet. Die Überschriften zu seinen Ramadan-Livestreams bzw. Online-Predigten heißen etwa: "Gott", "Engel", "Schriften", "Jenseits & Schicksal" und "Koran. Eine Einführung" (talhataskinsoyx Instagram 2022). Die Livestreams reihen sich auf seinem Account an die Bewerbung von Online-Islam-Seminaren, Vorträgen und spaßimplizierenden Erklär-Videos zum Islam. Ähnlich wie seine Ehefrau @elifs_mind, die ebenfalls als Influencerin ihr Publikum gefunden hat und die auf seinem Account verlinkt ist, inszeniert sich @talhataskinsoyx mit privaten Bildern, die unter anderem die eigenen Kinder oder häusliche Dekorationen zum Ramadan zeigen. Während sich @talhataskinsoyx in vielen seiner Posts an theologischen Fragestellungen orientiert, konzentriert sich @elifs_mind in den Beiträgen auf ihrem Instagram-Account auf die Verknüpfung der Narrative Mutterschaft, Kindererziehung, Nachhaltigkeit und Umweltschutz – allesamt verwoben mit islamischen Deutungen. Unter anderem bewirbt sie dabei Kinderbücher sowie eine Comic-Zeitschrift zum Ramadan (elifs_mind Instagram 2022). Im Vergleich: @talhataskinsoyx hat auf Instagram über 5.000 Follower*innen und @elifs_mind über 17.000 (Stand April 2022). Ob es sich bei Follower*innen mehrheitlich um Muslim*innen handelt, lässt sich über deren Accounts nicht einsehen.
Influencer*innen als Meinungsmacher*innen
Die genannten Influencer*innen sind darin bemüht, neue Perspektiven auf den Islam digital zu eröffnen. In diesem Vorhaben übernehmen sie die Funktion von Wissensvermittler*innen. So wie etwa der Medienkonzern OnlineMarketingInfluencer*innen als Meinungsmacher*innen versteht, die eine bestimmte Meinung zu einem Produkt oder einer Marke prägen, versuchen auch die genannten muslimischen Influencer*innen, ihre Meinung zur islamischen Religion zu bewerben und zu verbreiten (vgl. OnlineMarketing 2021; Gobé 2009). Wie @immernocharlotte deutlich macht, werden aber nicht alle Influencer*innen von islamischen Theologen oder den Verantwortlichen in den Moscheen ernst genommen. Laut @immernocharlotte orientiere sich deren Meinung über Influencer*innen an der Frage, ob sie mit ihren Posts von sogenannten klassischen islamischen Lehrmeinungen abweichen. Deutungshoheit hin oder her, die Autorität über islamisches Wissen und dessen Verbreitung ruht längst nicht mehr allein in den Händen islamischer Gelehrter. Im Gegenteil: Social-Media ermöglicht es nahezu jedem Menschen, sich zu äußern, zu präsentieren und seine Ansichten durch den Post, den Repost oder auch dem Setzen von Hashtags zu verbreiten. Die Voraussetzung hierfür ist der Besitz eines Smartphones und eines entsprechenden Zugangs zu den Plattformen. Was auf der Tagesordnung muslimischer Influencer*innen steht, bestimmen sie. Gleiches gilt für die Art der Verbreitung ihrer Interessen am und ihrer Meinung über den Islam. Mit den von ihnen genutzten Medien prägen sie ein öffentliches Bild zum Islam, der wie jede Religion dem Wandel der Zeit unterworfen ist.
Die muslimischen Influencer*innen sind Kinder ihrer Zeit und drücken dem Islam den Stempel ihrer Technikaffinität, eingerahmt von dem Narrativ der individuellen Meinungsfreiheit, auf. Mit den von ihnen kommunizierten Emotionen und Wertvorstellungen, gepaart mit kognitiven und sinnlich wahrnehmbaren Botschaften (#branding, #markenbildung), prägen sie einen Islam, der in den digitalen Sphären des 21. Jahrhunderts mehr und mehr Fuß fasst. Um die Veränderungen islamischer Traditionen zu verstehen, hilft heute daher ein Blick auf das Display des eigenen Handys.
Verwendete Literatur
Elifs_mind. 2022. Instagram: "Verlosung". 08.04.2022. https://www.instagram.com/elifs_mind/ (zuletzt abgerufen am 13.04.2022).
Gobé, Marc. 2009. Emotional Branding. The New Paradigm for Connecting Brands to People. New York: Allworth Press.
Immernocharlotte. 2022. Instagram: "Account-Eingangsseite". https://www.instagram.com/immernocharlotte/ (zuletzt abgerufen am 13.04.2022).
OnlineMarketing.de GmbH. 2020. Influencer Marketing: https://onlinemarketing.de/lexikon/definition-influencer-marketing(zuletzt abgerufen am 30.08.2021).
Prohl, Inken. 2020. "Branding and/as Religion: The Case of Buddhist-Related Images, Semantics, and Designs". In Buddhism and Business. Merit, Material Wealth, and Morality in the Global Market Economy, herausgegeben von Trine Brox und Elizabeth Williams-Oerberg, 111–27. Honolulu: University of Hawai’i Press.
Talhataskinsoyx. 2022. Instagram: "Account-Eingangsseite". https://www.instagram.com/talhataskinsoyx/ (zuletzt abgerufen am 13.04.2022).