Beitrag Berliner Moscheen Go Digital
Dr. Benedikt Julius Kastner
veröffentlicht am 01.09.2022
Dr. Benedikt Kastner war Promotionsstudent der Religionswissenschaft an der Universität Hamburg. In seinem Promotionsprojekt beschäftigte er sich mit der „Authentizität" von Achtsamkeits-Apps.
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Digitale Medien für die Vermittlung des Islam zu nutzen, ist Alltag für viele Moscheen in Berlin. Im Vordergrund steht dabei, Religion unabhängig räumlicher Grenzen zugänglich und erfahrbar zu machen. Dreh- und Angelpunkt hierfür ist der Bildschirm, auch Screen genannt, den immer mehr Menschen über ihr Smartphone tagtäglich mit sich herumtragen. Ein Klick auf dem Touchscreen ermöglicht es, in die scheinbar unendlichen Sphären der Bits und Algorithmen vorzudringen und eine digitale Welt des Islam auf dem Screen für sich zu entdecken.
Ein solches Angebot etwa liefert die Khadija Moschee, die von Verantwortlichen der Ahmadiyya-Muslim-Jamaat 2008 in Berlin eröffnet wurde. Auf Instagram und Twitter werden Projekte beworben, auf Veranstaltungen aufmerksam gemacht und über den Islam aufgeklärt. Hierfür nutzen die zuständigen Akteure Fotos, Videos, inspirierende Sprüche sowie wegweisende Zitate des Kalifen, dem religiösen Oberhaupt. Seine freitägliche Ansprache, simultan übersetzt und auf der ganzen Welt ausgestrahlt, können Muslim*innen und Interessent*innen sowohl in der Moschee auf einem großen Bildschirm als auch digital live verfolgen. In seinen Vorträgen schließt der Kalif an tagespolitische und soziale Themen an und verbindet sie mit seinem islamischen Weltbild (vgl. Ahmadiyya 2022a). In Deutschland hat die Gruppierung nach eigenen Angaben etwa 40.000 Mitglieder. Global sind es über zwölf Millionen (vgl. Ahmadiyya 2022b). Historisch gesehen geht die Ahmadiyya-Muslim-Jamaat (AMJ) auf die 1889 in Indien gegründete Ahmadiyya-Bewegung zurück.
Imam Scharjil Ahmad Khalid, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit der Moschee, betont, dass das digitale Angebot der AMJ deutschlandweit unter anderem ein Webradio, einen Podcast, eine Audiothek, diverse YouTube-Kanäle sowie einen eigenen Fernsehsender umfasst. Allesamt abrufbar via Smartphone. In der Summe führen die multimedial vermittelten Inhalte dieser Plattformen zu einem bestimmten Verständnis des Islam. Laut Khalid ist es ein Islam, der technikaffin ist.
Der Religionswissenschaftler S. Brent Plate deutet die Nutzung von Screens für die Vermittlung religiöser Botschaften als einen Prozess, der sich zwischen Sender und Empfänger abspielt:
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Unlike many of the contemporary high-tech electronic screens that we tend to imagine as only being a one-way-process – passively consuming the information from the screen – screens actually take part in dual processes of connection and distinction, of linking across distance but also reorienting the sensual encounters between people.
(Plate 2015: 189)
Über die Bildschirme sind Muslim*innen in den Prozess einer religiösen Wissensvermittlung eingebunden. Über die visuellen und auditiven Botschaften erleben sie Religion via Screen sowohl sinnlich als auch kognitiv – und das mittels Smartphone orts- und zeitungebunden. Die Sender der Botschaften, also die Verantwortlichen der AMJ, knüpfen über die Verwendung dieser Medientechnologie an die Popularität von Smartphone und (Touch-)Screen an und verstärken dadurch das gesellschaftliche Verlangen, Wissen über Bildschirme zu rezipieren (vgl. Plate 2015: 187–192). Insofern orientiert sich der Vermittlungsprozess der Gemeinschaft an dem digitalen Zeitgeist, Menschen über Medien zu erreichen, die in ihrem Alltag eine Rolle spielen und die sie flexibel bedienen können. Wie sieht das bei anderen Moscheen in Berlin aus?
Berliner Moscheen und die digitale Vermittlung des Islam
Amir Aziz, Imam der Wilmersdorfer Moschee und Anhänger der Lahore-Ahmadiyya, einer weiteren Absplitterung der Ahmadiyya-Bewegung, verweist auf die Frage, was für eine Rolle digitale Medien für die Moschee einnehmen auf die eigene Website. Der Slogan zur Website lautet: „Zur Verbreitung islamischen Wissens“ (Ahmadiyya Lahore 2022a). Hier finden Muslim*innen und Interessent*innen allerlei vor: Informationen zur Geschichte der Moschee, Artikel aus der Zeitschrift Islam Heute, Aufnahmen von Freitagsgebeten und Koran-Rezitationen; allesamt in verschiedenen Sprachen abrufbar (vgl. Ahmadiyya Lahore 2022b). Im Gespräch betont Aziz, dass auch seine Predigten und Freitagsgebete, mit Kameras aufgenommen, auf Facebook hochgeladen werden. Es sei zwar besser, so der Imam, für das Gebet in die Moschee zu kommen, jedoch erkenne er an, welche Vorteile die Sozialen Medien für viele Menschen habe. Passe es zeitlich nicht in die Moschee zu gehen, könnten sie Gebet und Predigt über den Screen verfolgen und so ihre religiösen Praktiken ausüben. Aziz versichert, dass potenziell jedes Medium in die religiöse Praxis integriert oder für den Vermittlungsprozess genutzt werden könne. Das bestätigt auch ein Verantwortlicher der sunnitischen Omar Ibn Al-Khattab Moschee im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Werden technische Geräte für das Gute eingesetzt, er spricht hier vom Islam, sei dagegen nichts einzuwenden. Relevant sei, dass die Technologien die Menschen dabei unterstützten, etwas Gutes zu tun. Diesen Anspruch sieht er bei Facebook und YouTube als erfüllt. Die beiden Plattformen haben sich in der Moschee zu vielgenutzten Medien der Wissensvermittlung entwickelt. Den Grund dafür verortet er in ihrer Beliebtheit: Will die Moschee junge Menschen für den Islam begeistern, müsse sie Medien nutzen, die für das Publikum wichtig sind – so sein Verständnis.
Medien für die Vermittlung von Religion zu nutzen, ist für den Religionswissenschaftler Peter J. Bräunlein nichts Neues: Medien und Technologien begreift er durch die Geschichte hinweg als religionsproduktiv (vgl. Bräunlein 2004: 325). Im Falle der drei Berliner Moscheen wird das Smartphone samt Screen dafür eingesetzt, den Islam an einen Alltagsgegenstand zu koppeln. Über ihn transformieren die involvierten Akteur*innen einen islamischen Vermittlungsprozess, der sich via Touchscreen bedienen lässt. Der Screen erlaubt es den Gemeinschaften, sich Wissen über ihre Religion anzueignen und sie gemeinsam zu erleben. Ein Ausgangspunkt bildet hierbei das Smartphone, dessen Display ein digitales Tor zur Welt verkörpert, durch das mit nur einem Klick hindurchgegangen werden kann. Oder andersherum: Ein Tor, über das Botschaften – auditiv und visuell – in die eigene Welt vordringen.
Verwendete Literatur
Bräunlein, Peter J. 2004. "Religionsgeschichte als Mediengeschichte. Eine Skizze". Münchener Theologische Zeitschrift 55 (4): 325–29.
Plate, S. Brent. 2015. "Screen". In Key Terms in Material Religion, herausgegeben von S. Brent Plate, 187–92. London, Oxford u.a.: Bloomsbury.
Ahmadiyya Anjuman Isha'at-e-Islam Lahore. 2022. Website: https://aaiil.org/german/ (zuletzt abgerufen am 06.06.2022).
Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland KdöR. 2022a. Website: https://ahmadiyya.de/home/ (zuletzt abgerufen am 06.06.2022).
Ahmadiyya Muslim Jamaat Deutschland KdöR. 2022b. Website: https://ahmadiyya.de/ahmadiyya/einfuehrung/ (zuletzt abgerufen am 06.06.2022).