Ringvorlesung„Gender- und Queerstudies als erkenntnistheoretische Herausforderung für die Religionswissenschaft“

07.04.2021 - 07.07.2021, Mittwochs, 18:15-19:45 Uhr, Zoom

Die religionswissenschaftliche Analyse von Diskursen, die als religiös verhandelt werden, hat bislang nur unzureichend die heteronormative Matrix hinterfragt, auf der die gegenwärtige Wissensproduktion zu Religion basiert. Bis in die Gegenwart hinein werden die sozialen Realitäten von Menschen, die einem hegemonialen Männlichkeitsverständnis nicht entsprechen, häufig unter die Erfahrung von Männern subsumiert. So werden Normen, Heilsversprechen usw., die von einem bestimmten, meist sehr eingegrenzten Kreis von Männern formuliert wurden, in der Regel als universal dargestellt - ein Umstand, der schon aufgrund sozialer Geschlechterdifferenzen und der damit einhergehenden unterschiedlichen Lebenserfahrungen als unwahrscheinlich gelten muss.

In den eher seltenen Studien und Debatten, in denen eine explizite Erwähnungen von Frauen oder aber von Identitäten, die heute meist unter LGBTQI* subsumiert werden, erfolgt, werden Aussagen und Sachverhalte unhinterfragt als historischen Gegebenheiten aufgefasst. Die Möglichkeit, dass das "Andere" (das andere Geschlecht usw.) als Phantasieprodukt bestimmter "männlicher Vorstellungen" figuriert und damit nur eine bestimmte hegemoniale Sichtweise auf die soziale Realität reproduziert wird, kommt selten in den Blick. Die Repräsentation des "Anderen" verdankt sich dominierenden gesellschaftlichen Zuschreibungen, an deren Aushandlungsprozessen die Repräsentierten (Frauen, LGBTQ*s usw.) - wenn überhaupt, dann - nur marginal beteiligt waren. Dadurch wird eine phallogozentrische Repräsentation naturalisiert (etwa qua Geschichtsschreibung), die Ausschlussmechanismen verschleiert. Eine heteronormative Matrix, jenseits der Wirklichkeit kaum denkbar zu sein scheint, wird reifiziert.

Im Mittelpunkt dieser Ringvorlesung steht die Frage, wie die in den dominierenden Narrativen und Repräsentationen ausgeschlossenen bzw. unterdrückten Identitäten und deren Repräsentation von sozialer Wirklichkeit sichtbar gemacht werden können. Dabei gilt es den Fokus auf Brüche in hegemonialen "männlichen" Perspektiven zu richten und mögliche Szenarien "weiblicher" bzw. alternativer sozialer Realitäten zutage treten zu lassen. Zugleich gilt es, die epistemologischen Prämissen, welche die gegenwärtige Religionswissenschaft bestimmen, kritisch zu reflektieren. Es wird davon ausgegangen, dass binäre Geschlechternormen zwar historisch zur Sensibilisierung und zum Widerstand gegen Ausschluss- und Unterdrückungsmechanismen geführt haben, dass Geschlechtsidentitäten jedoch nicht auf ein Binar (männlich/weiblich) reduziert werden können. Die Beiträge der Vorlesung eröff-nen neue Perspektiven auf die Bedingungen der Religionsforschung und präsentieren neueste Befunde im gesamten Gender- und Queer-Spektrum.

Koordination

Prof. Dr. Giovanni Maltese
Missions-, Ökumene- und Religionswissenschaften, Universität Hamburg
Prof. Dr. Inken Prohl
Institut für Religionswissenschaft, Universität Heidelberg

Ablauf

  • 07.04.2021 - Eine Epistemologie von Religion und Geschlecht: Biopolitik - Performativität - Handlungsmacht
    PROF. DR. ULRIKE AUGA
    Intersectional Center for Inclusion and Social Justice, Canterbury Christ Church University
    Chair: Prof. Dr. Giovanni Maltese, Co-Chair: Prof. Dr. Inken Prohl
  • 14.04.2021 - Fundamentalkritik an konstruktivistischen Identitätstheorien: Cynical Theories von Helen Pluckrose und James Lindsay
    DIMITRY OKROPIRIZDE, M.A.
    Institut für Religionswissenschaft, Universität Heidelberg
    Chair: Prof. Dr. Inken Prohl, Co-Chair: Prof. Dr. Giovanni Maltese
  • 21.04.2021 - Die Konstruktion des urbanen Junggesellen: Von Hugh Hefners Playboy zu Donald Trump
    PROF. DR. JIRÉ EMINE GÖZEN
    Medien- und Kulturtheorie University of Applied Sciences Europe, Campus Hamburg
    Chair: Prof. Dr. Giovanni Maltese, Co-Chair: Prof. Dr. Inken Prohl
  • 28.04.2021 - Die Weiblichkeit von Àjé: Hexerei-Verdächtigungen und die Agency von Frauen in Nigeria
    DR. JUDITH BACHMANN
    Institut für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie, Universität Heidelberg
    Chair: Prof. Dr. Inken Prohl, Co-Chair: Prof. Dr. Giovanni Maltese
  • 05.05.2021 - Die Politisierung der Intimität: Muslimische Geschlechts- und Sexualitätskonzepte und ihre (post-)kolonialen Transformationen
    DANIJEL CUBELIC, M.A.
    Leiter des Amtes für Chancengleichheit, Stadt Heidelberg
    Chair: Prof. Dr. Giovanni Maltese, Co-Chair: Prof. Dr. Inken Prohl
  • 19.05.2021 - Über komplexe Intersektionen, Identität und Alterität: Religion, Gender und Entwicklung in der Deutschen Christlichen Entwicklungszusammenarbeit
    LEONIE GEIGER, M.A.
    Forum Internationale Wissenschaft, Universität Bonn 
    Chair: Prof. Dr. Inken Prohl, Co-Chair: Prof. Dr. Giovanni Maltese
  • 26.05.2021 - Gender-Konstruktionen im katholischen Exorzismus-Diskurs
    DR. NICOLE BAUER
    Institut für Praktische Theologie, Universität Innsbruck
    Chair: Prof. Dr. Giovanni Maltese, Co-Chair: Prof. Dr. Inken Prohl
  • 02.06.2021 - Jenseits von Unterdrückung und Widerstand?
    Religion, Feminismus und Agency neu konzipiert
    JESSICA ALBRECHT, M.A.
    Institut für Religionswissenschaft und Interkulturelle Theologie, Universität Heidelberg
    Chair: Prof. Dr. Inken Prohl, Co-Chair: Prof. Dr. Giovanni Maltese
  • 09.06.2021 - Materielle Zeugnisse der Transformation von Religion und Geschlecht
    PROF. DR. FRANKE, EDITH
    Institut für Sozialanthropologie und Religionswissenschaft, Universität Marburg
    Chair: Prof. Dr. Giovanni Maltese, Co-Chair: Prof. Dr. Inken Prohl
  • 16.06.2021 - Vom 'Mapah' zum 'Baphomet': Die Wurzeln alternativ-religiöser sexueller Devianz und Androgynität im französischen Frühsozialismus
    PD DR. STRUBE
    Julian Exzellenzcluster "Religion und Politik", Universität Münster
    Chair: Prof. Dr. Inken Prohl, Co-Chair: Prof. Dr. Giovanni Maltese
  • 23.06.2021 - Die Bedeutung Judith Butlers für die Religionswissenschaft
    PROF. DR. MICHAEL BERGUNDER
    Institut für Religionswissenschaft und interkulturelle Theologie, Universität Heidelberg
    Chair: Prof. Dr. Giovanni Maltese, Co-Chair, Prof. Dr. Inken Prohl
  • 30.06.2021 - Buddhismus und Gender in Japan
    DR. TIM GRAF
    Nanzan Institute for Religion and Culture, Nanzan University
    Chair: Prof. Dr. Inken Prohl, Co-Chair: Prof. Dr. Giovanni Maltese
  • 07.07.2021 - Buddhistische Maskulinitäten im Zen Buddhismus
    PROF. DR. INKEN PROHL
    Institut für Religionswissenschaft, Universität Heidelberg
    Chair: Prof. Dr. Giovanni Maltese, Co-Chair: Prof. Dr.Inken Prohl