THEORETISCHE ANSÄTZE Religionsanaloge Formationen
Die Kategorie der „religionsanalogen Formationen“ beschreibt die funktionalen Parallelen zwischen Religionen und diversen anderen gesellschaftlichen Feldern.
Ausgangspunkt für diesen Ansatz ist eine vorläufige Bestimmung von Religion, nach der Religionen verkörperte Praktiken und Diskurse sind. Durch sie werden Beziehungen zwischen Menschen und außerhalb des Menschen stehenden Instanzen kultiviert – etwa Götter, übermenschliche Wesen oder transzendente Ordnungen. Mit diesen Praktiken und Diskursen streben Menschen nach Heil, bewältigen ihr Leben und etablieren Gemeinschaften. Dabei gehen von Religionen auch Risiken und Nebenwirkungen aus, wie zum Beispiel die Imagination von Grenzen, mit denen Menschen ausgeschlossen werden, oder die Einschränkung der Möglichkeiten, die soziale Realität der Welt wahrzunehmen und zu interpretieren.
Vorstellungen, Praktiken und Materialitäten in diversen Bereichen der Populärkultur, des Marketings und Brandings, der romantischen Liebe, der Künstlichen Intelligenz, des Konsums sowie der Identitätspolitik sind gute Beispiele für religionsanaloge Formationen. Sie führen den Grund ihrer Geltung auf überempirische und somit scheinbar unhinterfragbare Quellen zurück, die ihnen die benötigte Legitimation verleiht. Zugleich tragen diese Formationen dazu bei, Gemeinschaften zu konstituieren, Gruppengrenzen zu etablieren und die Perspektiven auf die Welt zu reduzieren. Religionsanaloge Formationen beschreiben gesellschaftliche Phänomene, die in ihrer Wirkweise Religion ähneln, mit den Methoden der Religionswissenschaft erforscht werden können, aber von Akteuren und Akteurinnen nicht notwendigerweise als Religion bezeichnet werden. Religionswissenschaftliche Theorien können dazu beitragen, die religionsähnlichen Kennzeichen und Dynamiken dieser Formationen zu analysieren.