Blogbeitrag Hype vs. Fear: Positionierungen zu KI zum WEF 2024

Maike Sieler, M.A.

veröffentlicht am 02.12.2024

Maike Sieler ist Doktorandin und wissenschaftliche Assistentin am Lehrstuhl für systematisch-theoretische Religionswissenschaft am Religionswissenschaftlichen Seminar der Universität Zürich. In ihrem Dissertationsprojekt beschäftigt sie sich mit den Verhandlungen der sozialen Implikationen von KI, dem Feld von KI und den Strategien von in der Schweiz lebenden Muslim*innen im Umgang mit diesen sozialen Implikationen.

Jedes Jahr findet Mitte Januar das World Economics Forum (WEF) im schweizerischen Davos statt. Und jedes Jahr werden dort Dort werden politische und wirtschaftliche Themen verhandelt, die – zumindest von den G20 Ländern – als am dringendstenakut wahrgenommen werden. So ist es nicht verwunderlich, dass Künstliche Intelligenz neben dem Ukrainekrieg und den Folgen des Klimawandels eines der viel diskutierten Themen am WEF 2024 war.  

Da ich mich in meinem Dissertationsprojekt unter anderem mit den diskursiven Verhandlungen zur Nützlichkeit von KI für die Gesellschaft durch Akteur*innen im Feld von KI befasse, nahm ich die Einladung einer meiner Feldkontakte an und begab mich, zur Überprüfung einiger Annahmen über das Feld, in das Epizentrum des KI-Diskurses, ins „AI-House“. An zwei von fünf Tagen ging es in den dortigen Veranstaltungen um „KI in der Gesellschaft und Gesellschaft in der KI“, meist im Format von Podiumsdiskussionen. Konkret reichten die Veranstaltungsthemen von KI in der Sicherheits- und Menschenrechtspolitik, über staatliche Regulierungsvorstöße und Sicherheit sowie KI und Gesellschaft und Umwelt, bis hin zu Diskussionen über den Entwicklungsstand von KI.

Um im Feld von KI die Interessen und Handlungen von Akteur*innen, die um die Nützlichkeit von KI für die Gesellschaft ringen, zu systematisieren, nutze ich das vom Soziologen Max Weber begründete Konzept der Idealtypen. Bei der Konstruktion von Idealtypen geht es darum, Interessen und Handlungsmuster von Akteur*innen im zu beschreibenden Feld zu überzeichnen. Das bedeutet, dass Idealtypen nie eins zu eins im Feld anzutreffen sind, Akteur*innen im Feld jedoch Charakteristika dieser aufweisen (vgl. Weber, 1978).

Zum einen systematisiere ich den Fearful Type, der sich durch eine Betonung von negativen Szenarien, die KI für die Menschheit seiner Meinung nach haben könnte, auszeichnet. Für seiner Positionierung bedient sich der Der Fearful Type bedient sich häufig popkultureller Referenzen, in denen Technologien versuchen, die Menschheit zu dominieren (z.B. Filmproduktionen, wie „I, Robot“). Charakteristika der Argumentation dieses Idealtyps lassenießen sich beispielsweise bei dem Philosophen Max Tegmark ausmachen. Tegmark sprach sich nach dem Launch von ChatGPT für eine sechsmonatige KI-Entwicklungspause aus und zeichnete in seiner Positionierung zu den Hypes and Risks of AI eine zurückhaltende bis dystopische Vision von KI und Gesellschaft. Dem gegenüber stand die Position von Meta Chief Scientist Yann LeCun, dessen PositionenCharakteristika des Idealtyps Tech-Defendant aufwaufweisenies. , welchen ich als Tech-Defendantklassifiziere. So betonte LeCun immer wieder, dass die momentane KI-Entwicklung noch längst nicht auf einem menschennahen Level angekommen sei und somit bewerte diedie Warnungen seines Gesprächspartners Tegmark als falsch zu bewerten seien. Dass Tegmark und LeCun zusammen in einem Panel platziert wurdenaren, war kein Zufall, da sieenn ihre diskursprägenden Positionierungen tragen sie häufig öffentlichkeitswirksam auf X austragen. Die von den beiden Meinungsführern eingenommen Positionen wurden bereits systematisiert von der Datenwissenschaftlerin Kate Crawford und dem Technologiehistoriker Alex Campolo systematisiert beschrieben. Crawford und Campolo erklären beschreiben die Hype vs. FearPositionen zu KI als zwei Seiten einer Medaille, die sie als Enchanted Determinism bezeichnen. Gleichwohl ihrer gegensätzlichen Position zu KI gingen beide Positionen von der Prämisse aus, dass KI etwas Deterministisches und „Magisches“ sei, das für die Gesellschaft entweder ein utopisches oder dystopisches Potenzial bereithalteält (vgl. Crawford und Campolo 2020). 

Eine weitere Position im Feld von KI, die um die Nützlichkeit von KI für die Gesellschaft ringt, wird vom Dedicated and Weighing Type vertreten. Dieser Idealtyp zeichnet sich durch eine reflektierte Sichtweise aus und zeigt Wege auf, wie KI und gesellschaftlicher Wandel verknüpft sind, betont aber auch kritische Aspekte wie etwa das Diskriminierungspotential von etwaigen Technologien. So machte der Informatikprofessor Stuart Russel in einem Panel über AI in Peace and Conflict deutlich, dass er nicht mehr mit Journalist*innen spreäche, die popkulturelle, apokalyptische Bilder von Killerrobotern publizierenten. Gleichzeitig hob er aber auch hervor, dass KI längst ein integrativer Teil von moderner Kriegsführung sei, deren Anwendungsbereiche einer ethischen Aushandlungen bedürfen würden. 

In den Veranstaltungen des AI House am WEF 2024 wurden KI, deren Entwicklungsstand und ihre Nützlichkeit für die Gesellschaft verhandelt. Damit einher ging das Ringen um und die Deutungshoheit zu den Potentialen und Risiken, die mit KI assoziiert werden.

Literatur

Campolo, Alexander, and Kate Crawford. 2020. „Enchanted Determinism: Power without Responsibility in Artificial Intelligence“. Engaging Science, Technology, and Society 6 (Januar): 1–19. .

Weber, Max. 1978. Economy and Society: An Outline of Interpretive Sociology. Berkeley, Los Angeles, London: University of California Press.